Work Life Balance
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„Work-Life-Balance“ bitte umdenken!

Work-Life-Balance. Ein Begriff, der im Personalmarketing wirklich nervt und im Grunde Bullshit ist. Mir ist klar, er ist gut gemeint. Aber ein entscheidender Schöntheitsfehler enttarnt ihn. Er trennt Arbeiten vom Leben. Noch absurder: Der Begriff suggeriert, dass es ein Gleichgewicht dazwischen geben soll.

Es mag kleinkariert klingen, aber dieser regelrecht gehypte Begriff offenbart eine seltsame Denkweise. Und den daraus resultierenden Anspruch geben wir in Magazinen, Büchern und Blogbeiträgen munter weiter – natürlich unmittelbar an die neue Arbeitergeneration, die sich ausgerechnet damit vor Burnout schützen soll. Ziemlich daneben.

Denn ein Gleichgewicht zwischen Arbeit und Leben geht gar nicht!

Bei einer Vollzeitbeschäftigung sind 10 Stunden täglich (inkl. Pausen und Fahrtzeiten) keine Seltenheit. Im Feierabend bleiben dann noch ein paar Stunden im einigermaßen wachen Zustand. So sehr ich mich auch anstrengen würde, es bliebe einfach zu wenig Zeit für einen Ausgleich. Yoga, veganes Kochen, ein gutes Buch, die Pflege von Kontakten und natürlich die vollausgefüllte Rolle als Partner und Vater/Mutter – rein rechnerisch geht das nie auf. Nie. Und aufmerksamen Lesern (den Leserinnen sowieso) fällt natürlich auf, dass ich auch noch die Haus-Arbeit vergessen habe. Ach ja, und wer kennt nicht auch noch die mit Freizeitaktivitäten völlig überladenen Stress-Wochenenden, die den Ausgleich dann in 48 Stunden retten sollen?

Selbst wenn ich mich also gegen jede Überstunde wehren würde, kann ich nicht erst nach Feierabend mein Leben leben. Und trotzdem predigen alle munter den Balance-Mythos weiter. Verlage, Berater und sogar Krankenkassen fühlen sich berufen, das Trendthema zu vermitteln. So verbreitet sich der Irrglaube munter auf wortreichen Podiumsdiskussionen, zwischen all den anderen Themen, wie der Generation Z, den Fachkräftemangel, die Digitalisierung oder der demographischen Wandel (nicht alle Themen sind ebenfalls ein Irrglaube; wobei mich Generationthemen ebenso rasend machen, weil ebenfalls Bullshit)

Natürlich werden insgesamt gute Tipps weitergegeben. Es ist auch nicht gut, sich einer Arbeit hinzugeben, die übermäßig Energie verbrennt und nichts zurückgibt. Klar, dann gilt es etwas zu ändern und nach einer anderen Gewichtung zu suchen. Aber genau deswegen ist es wichtig, die richtige Arbeit zu finden (und sie nicht durch andere Aktivitäten ausgleichen zu wollen):

Ein erfülltes (Arbeits-)Leben braucht keinen Ausgleich!

Arbeit ist seit jeher Sinnstifter für Individuen, gibt Orientierung und fördert die persönliche Zufriedenheit. Wenn Menschen das machen, was ihnen liegt, dann blühen sie auf. Eine Aufgabe zu haben, gibt Struktur. Genau das brauchen wir. Arbeit ist etwas Wunderbares. Die Kunst liegt darin, die richtige Arbeit zu finden und das nicht unwesentliche Zeitfenster zwischen Schule und Rente mit Liebe auszufüllen. Und da lauert der nächste Irrtum: Es können nicht alle Menschen ihr Hobby zum Beruf machen. Es können aber alle Menschen den Beruf wie ein Hobby auswählen, pflegen und behandeln. 

Eine interessante Formel habe ich im Buch von Boris Grundl entdeckt. Er beschreibt, dass wir unsere Arbeit auf gesunde Drittel überprüfen sollten (frei zitiert/interpretiert):

  • Ein Drittel ist genau mein Ding und ich brenne dafür. Es gibt bei den Aufgaben Flow-Momente.
  • Das zweite Drittel ist geprägt von „normalen“, wertneutralen Tätigkeiten. Arbeiten, die eben gemacht werden müssen, mich aber auch nicht stören.
  • Und dann gibt es auch einen nervigen Part, den ich am liebsten vermeiden würde. Diesen gilt es zu ertragen.

So darf es eben auch Tage geben, wo ich mich zur Arbeit zwingen muss, aber sie dürfen nie mehr als ein Drittel ausmachen. Und wenn ich in den Genuss komme, dass ich meine Arbeit in allen Facetten liebe, umso besser (wobei mir auch Paare unheimlich sind, die ihre Beziehung nicht in ähnliche Drittel aufteilen). Ich bin gar kein Fanatiker von Formeln, hier gefällt mir jedoch der Gedanke an ein realistische Balance. 

Life-Balance ist der schönere Gedanke, der die ganze Bandbreite der Selbstverantwortung verdeutlicht.

Von daher empfehle ich auch, mit Work-Life-Balance-Themen im Personalmarketing vorsichtig zu sein und es nicht pauschal zu verwenden. Als Arbeitgeber sollten wir den Fokus unseres Angebotes im Blick behalten: Arbeit zu geben! Die Entscheidung, ob diese Arbeit in ein Leben passt, treffen Arbeitnehmer am besten selber – alles andere wäre affig.

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